Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses veröffentlicht
Am heutigen 2. August hat der rheinland-pfälzische Landtag nach knapp drei Jahren Arbeit den Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss „Flutkatastrophe“ veröffentlicht, der in der kommenden Plenarsitzung im September beschlossen werden soll. Dieser enthält auch die knapp 200 Seiten umfassende „Würdigung der Beweisaufnahme und Ergebnis der Untersuchung“ durch die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Dazu sagten die Obleute Nico Steinbach (SPD), Carl-Bernhard von Heusinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Philipp Fernis (FDP):
„Der Untersuchungsausschuss ist seiner Aufgabe, die politische Verantwortlichkeit rund um die schlimmste Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes aufzuklären, sehr akribisch nachgekommen. Die Arbeit dahin war eine für alle Beteiligten ob der Dimensionen der Zerstörung sowie des persönlichen Leids vor Ort herausfordernde und besondere. Wir möchten daher im Namen der Ampel-Fraktionen an dieser Stelle noch einmal unseren großen Dank an alle Beteiligten sowie an alle Helferinnen und Helfer und an alle Heldinnen und Helden richten, die in der fürchterlichen Naturkatastrophe sowie den Tagen danach über sich hinausgewachsen sind, um andere zu schützen oder anderen zu helfen.
Darüber hinaus sind wir nicht nur ob der intensiven Befassung mit der Katastrophe und ihrer Folgen bis zum heutigen Tag immer wieder in Gedanken bei den Opfern und den Hinterbliebenen der Flutkatastrophe. Wir trauern mit ihnen.“
Zu den Ergebnissen der inhaltlichen Arbeit im Ausschuss fassten Steinbach, von Heusinger und Fernis zusammen: „Es ist nahezu unmöglich, die Erkenntnisse aus 47 Sitzungen, knapp 300 Stunden Ausschussarbeit und rund 7000 Seiten Protokollen zusammenzufassen. Und doch stechen am Ende zwei Punkte für uns klar heraus.
Erstens: Das Versagen des ehemaligen Landrats im Kreis Ahrweiler vor und während der Flutkatastrophe hat sich wie ein roter Faden durch diesen Untersuchungsausschuss gezogen. Viele Schwierigkeiten und teils verheerende Folgen in dieser Flutnacht haben auch hier ihren Ursprung. Die mangelnde Vorsorge für einen Katastrophenfall, das unterbliebene Einrichten eines Verwaltungsstabes, das Nicht-Greifbar-Sein als oberster zuständiger Katastrophenschützer in der akuten Lage, das Weg-Delegieren von Verantwortung, die verspätete Warnung der Bevölkerung – dies alles und vieles mehr führte dazu, dass auch ein Sachverständiger in Bezug auf den ehemaligen Landrat von einem ,Systemsprenger‘ sprach.“
Die Obleute ergänzten: „Hinzu kommt zweitens: Die Flutkatastrophe war ein in seinen Ausmaßen und Abläufen singuläres und so nicht vorhersehbares Ereignis. Das haben Zeuginnen und Zeugen sowie Sachverständige bestätigt. Die schrecklichen Folgen wurden verstärkt durch eine Konstellation verschiedener spezifischer unter anderem meteorologischer und geologischer Faktoren im Ahrtal.
Hinzu kommt, dass aufgrund einer Vielzahl von Gründen wie beispielsweise Stromausfällen, Funkausfällen, Meldelücken und vielem mehr in der tatsächlichen Lage kein realistisches Lagebild entstanden ist, an dem sich aber sämtliche Handlungen und Maßnahmen zwangsläufig orientieren müssen. Das Wissen von heute lag in der damaligen Lage nicht vor und darf daher auch nicht als Bewertungsrahmen dienen.“
Steinbach führte aus: „Die politische Verantwortung des ehemaligen Landrats, der in der Flutnacht laut Zeugen mit dem Hund Gassi war, seinen Porsche aus der Garage holte und ausgewählte Nachbarn alarmierte, aber für den Katastrophenschutz teils nicht erreichbar war, die Bevölkerung viel zu lang nicht warnen ließ und zahlreiche Hinweise offensichtlich ignorierte, ist im Untersuchungsausschuss eindeutig belegt worden. Das ist auch deswegen so bedeutend, da viele Expertinnen und Experten sowie Gutachter immer wieder betont haben, dass im Katastrophenschutz Landkreise und kreisfreie Städte zuständig sind, weil es zentral auf die Expertise vor Ort ankommt. Wird vor Ort nicht adäquat gehandelt, rennt man den Ereignissen hinterher, hieß es.
Hinzu kommt, dass auch aufgrund der Versäumnisse des Ex-Landrats kein valides Lagebild entstehen konnte. Daher sowie aus weiteren Gründen gab es laut Experten-Meinung dann auch beispielsweise weder Grund noch Veranlassung für eine Einsatzübernahme der ADD.“
Von Heusinger betonte außerdem: „Im Untersuchungsausschuss wurde auch deutlich, dass im Landkreis Ahrweiler alle Warnungen zu einem zu erwartenden Hochwasser rechtzeitig vorlagen. Auf Grundlage der vorliegenden Informationen hätte der damalige Landrat des Landkreises Ahrweiler entsprechende Veranlassungen treffen müssen. Im Angesicht einer sich anbahnenden Katastrophe übernahm der oberste Katastrophenschützer des Landkreises aber keine Verantwortung – und traf vor allem keine Entscheidungen. Auch an dieser Stelle wird sein Versagen offenkundig.
Besonders erschüttert es mich, dass es dem damaligen Landrat offensichtlich wichtiger war, seine privaten Angelegenheiten zu regeln, anstatt sich mit aller Kraft für den Schutz von Leib und Leben der Menschen im Ahrtal einzusetzen. In anderen von der Flut betroffenen Landkreisen und in der kreisfreien Stadt Trier wurde dagegen auf der Grundlage der vorliegenden Hochwasserwarnungen vorausschauend gehandelt und notwendige Vorkehrungen getroffen.“
Fernis erläuterte abschließend: „Die gründliche und verantwortungsvolle Arbeit des Untersuchungsausschusses hat entscheidend dazu beigetragen, die Versäumnisse und Verantwortlichkeiten offenzulegen. Als besonders schockierend ist dabei das Verhalten des damaligen Landrats Jürgen Pföhler herausgestochen. Pföhler hat es während seiner langjährigen Amtszeit versäumt, den Landkreis auf mögliche Katastrophen vorzubereiten. Dabei wäre das eine der ureigenen Aufgaben des Landrats gewesen. Auch während der Flutnacht selbst hat sich Pföhler als maximaler Totalausfall herausgestellt. Das völlige Versagen des Landrats wurde einhellig von allen Experten und Zeugen bestätigt. Das lässt uns fassungslos zurück.
Die Koalition hat aus der tiefgründigen Arbeit des Ausschusses ihre Schlüsse gezogen und bereits konkrete Maßnahmen ergriffen, um zukünftige Katastrophen besser bewältigen zu können. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Einrichtung des neuen Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz, das effektivere Strukturen schafft und die Einsatzkoordination im Katastrophenfall verbessert. Dies zeigt, dass wir nicht nur analysieren und kritisieren, sondern auch aktiv handeln und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz nachhaltig stärken."